Norwegen Sommer 2017

 

Meine Wanderung durch die Hardangervidda

von Haukeliseter nach Liseth im August 2017

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© Bilder und Text Klaus Goerschel

 

 

6 Tage-Wanderung durch die Hardangervidda von Haukeliseter bis Liseth.

 

 

Aufenthalt in der Haukeliseter

1. August 2017

Die Haukeliseter liegt am nördlichen Ufer des Stavatn Sees. Hier war ich schon einmal im Frühjahr gewesen und hatte die freundliche Atmosphäre und die Lage an der Nationalstraße E 134 schätzen gelernt.

Sowohl im Winter als auch im Sommer kann man vom Ausgangspunkt Haukeliseter sehr schöne Wanderungen in die Hardangervidda, als auch in das südliche Haukelifjell unternehmen.

Ich war gekommen, um die Hardangervidda von Süden nach Norden zu durchlaufen, von der Haukeliseter nach Liseth und wenn möglich vielleicht sogar nach Finse. Es sollte die Erfüllung eines lang gehegten Traumes sein.

Mein Rucksack wog 21 Kilo und die Fotoausrüstung kam mit 2 Kilo hinzu. Das war nicht leicht, aber es war eigentlich nur eine Standard-Ausrüstung für den Fall der Fälle.

Dazu gehörte: Zeltausrüstung und Schlafausrüstung, Kocher mit Kochgeschirr und Gas, warme und winddichte Kleidung, Wechselwäsche und Ganztages-Nahrung für 6 Tage.

Dazu kommen: Feste Wanderschuhe, Gamaschen, 2 Paar Handschuhe, Mütze, Watschuhe, Regenjacke mit Kapuze

 

Wandern in der Hardangervidda ist auch heute noch ein Abenteuer. Es sind nicht steile Berge, die zu schaffen machen, sondern die extremen Wetterbedingungen und die können hier jeder Zeit eintreten. Sturm, Kälte und starker Regen und auch Schnee im Sommer. Da heißt es, auch für diese Eventualfälle Ausrüstung mitzunehmen. Aber Ausrüstung allein ist es nicht. Eine gute Kondition mitbringen, mental vorbereitet zu sein und sich darauf freuen Wildnis und Einsamkeit zu erleben, das gehört zu einer gelungenen Wanderung durch die Hardanger Vidda. Die Nationalparkverwaltung rät davon ab ("gehe nie!" ) allein durch die Vidda zu wandern. Grundsätzlich ist es natürlich schön, wenn Kameraden und Partner mitkommen, aber ich bin auch einigen Wanderern begegnet, die allein waren, auch Frauen. Es ist möglich, doch größte Vorsicht ist geboten.

 

Dieses Holzhaus ist so etwas wie das Wahrzeichen der Haukeliseter geworden. Es beherbergt heute eine umfangreiche Bäckerei. In dem anschließenden Gebäude ist die Rezeption untergebracht und daran wieder angeschlossen der große Speisesaal mit herrlichem Blick auf den Stavatn.

 

Untergebracht war ich in einem Mehrbettzimmer im 1. Stock des gegenüberliegenden Gebäudes, das ich jedoch alleine bewohnte. Hier gab es auch eine Küche. Über Wlan hatte ich ungehinderten Zugang zum Internet.

 

 

Wanderung 1.Tag, Mittwoch 2. August

 

Als ich 6 Uhr als dem Fenster schaute war ich enttäuscht. Laut Wetterbericht hatte ich Sonne erwartet, stattdessen regnete es. Wie in den letzten Tagen haderte ich, die Wanderung zu beginnen. 6.30 Uhr begegnete ich am Nachbargebäude einem freundlichen älteren Mann und wir kamen ins Gespräch. Da sagte er mir: “Wenn du auf gutes Wetter in der Hardanger Vidda wartest, dann kann es sein, dass du unverrichtet wieder nach Hause fährst.“ Mit einem Schlag wurde mir klar, dass ich aufbrechen sollte, auch wenn es regnet und stürmt.    

Welch ein Wunder: 7 Uhr hörte es auf zu regnen. In großer Hektik frühstückte ich, packte die letzten Sachen in den Rucksack, reinigte mein Zimmer und verließ endlich 8 Uhr die Hütte. Nun waren auch schon die ersten blauen Himmelstore zu sehen. Aber die Wolken hingen noch tief und es war sehr frisch.

 

Mit Mütze, Handschuhen, Stöcken und umgehängter Karte stieg ich den nassen Hang langsam aber gleichmäßig hinauf.   Auf dieser Wanderung wollte ich mich vor allem an die Wegmarkierungen halten, das große rote T und die aufgetürmten Steinpyramiden. Sie sind besonders im Nebel wichtig und auch, wenn man schon weit voraus die Richtung des Pfades erkennen soll.  Auf das GPS kann ich nicht zurückgreifen, aber ich denke mit Kompass und Karte werde ich meinen Weg finden.

 

Für heute hatte ich mir vorgenommen, bis zur Hellevasbu Hütte zu kommen. Das waren immerhin 20 km über Stock und Stein mit 23 kg Gepäck. Leider hingen die Wolken sehr tef und es regnete oft.  

 

Ein Blick zurück in die Haukeliberge und den Stavatn.

 

Viele Wanderer schlafen nicht in den Hütten, sondern zelten in der Vidda.

 

Der Wanderweg stand oft unter Wasser.

 

Blick zurück über das Tal des Stavatn zum Sveigen hinüber.

 

Gegen halb zehn kam mir eine schwer beladene norwegische Wanderin mit einem Pudel  entgegen. Sie hatte die Vidda von Nord nach Süd gequert. Wir unterhielten uns über Weg und Wetter und sie sagte, es hätte leider sehr viel geregnet in der Hardanger Vidda.  

 

Besonders unangenehm für den Wanderer sind versteckte Moorlöcher.

 

Manchmal führte der Trail durch steinbruchartiges Gelände.

 

Bis vor kurzem lag hier noch Schnee.

 

In der Hardanger Vidda ist man von jeder Kommunikation von außen abgeschnitten: kein Radio, kein Handyempfang!

 

Das Wegekreuz Hellevassbu- Middalsbu

 

Wanderer auf dem Weg zum Vesle Nup 1510 m

 

Ich musste am südlichen Kap des Nups Egga Massivs nicht weit vom Ufer des Mannevatn vorbei. Ein riesiges Steinmeer breitete sich vor mir aus und fiel zu Tal. Eigentlich war es ja kein Problem über das Steinfeld zu gehen, doch das  Bächlein, das vom Mannevassjönn zum Mannevatn  herunter kam, führte jetzt  viel Wasser und war zum schnellen Bach angeschwollen. Hier gab es keine Brücke noch Steine, die aus dem Wasser ragten.

Ich überlegte noch wie ich über den Bach kommen könnte, ohne die ganze Wat-Ausrüstung anzulegen, da hopste ein Mountainbiker mit seinem Rad über die Steine, hielt vor mir und stand vor demselben Problem wie ich. Letztlich trug er sein Rad, bis zu den Waden im Wasser über den Bach, aber ich entschied mich, zum Mündungsdelta hinunter zu laufen und dort so schnell wie möglich über seichte Stellen zu waten und tiefe Stellen zu überspringen.

Es klappte ganz gut, auch wenn ich natürlich etwas Wasser in die Schuhe übernommen hatte.

 

Kurz nach 12 Uhr wanderte ich über ein Steinfeld weiter am Ufer des Mannevatn entlang.

 

Gegen 12.30 Uhr hatte ich das nördliche Ende des Mannevatn erreicht und konnte nun deutlich die Anglerhütte am Ostufer erkennen. Neben dieser Hütte hatte ich im Mai auf dem Schnee bei dichtem Nebel mein Zelt aufgebaut.

 

Immer wieder: überschwemmte Wanderwege.

 

Als ich aus dem Schutz des Nups Egga Massivs heraustrat, wehte der Wind  stärker, sodass ich meine Kapuze überziehen musste. Der Pfad stieg an und  drehte nach Nordosten bis ich auf den Holmasjöen sehen konnte.

 

Der Trail schlängelt sich auf und ab über Höhen und durch Täler. Kalte Windböen durchschüttelten mich und Regenschauer raubten mir die Sicht.

 

Regenwasser, Schmelzwasser, überall rauschte und sprudelte es.

 

Viertel vor 3 Uhr erreichte ich diesen kleinen Brückensteg, der hier über einen schluchtartigen Einschnitt das tosende Wasser überwand. Um dieses Brückchen zu überqueren, musste ich wirklich erst einmal die Luft anhalten. Sie machte einen sehr wackeligen Eindruck und am Ende fehlte sogar noch etwas Beplankung. Schritt für Schritt ging es dann doch, auch wenn ich zum Schluss noch einen langen Schritt einlegen musste, nach dem Motto Augen zu und nichts wie drüber.

Dennoch war ich über diesen kleinen Steg sehr dankbar, ansonsten hätte ich einen riesigen Umweg einlegen müssen.

 

Auf knapp 1300 m Höhe: tief hängende Wolken und dicker Firnschnee. In dieser Ödnis fühlt man wirklich die Einsamkeit.

  

Unverdrossen laufe ich weiter und weiter. Das Wetter trübte ein und hin und wieder regnete es auch. Immer häufiger tauchten dicke Schneefelder an den Rändern kleiner Seen auf. Manchmal musste ich auch über große Firn und Schneefelder stapfen.  

 

Kurz vor 4 Uhr Nachmittags, als ich wieder einmal ein weites Schneefeld queren musste, schaute ich auf eine Talebene, über die sich ein schöner Regenbogen spannte. Da hielt ich inne und genoss das großartige Naturschauspiel in völliger Ruhe und Einsamkeit um mich herum.

 

Gegen 17 Uhr konnte ich eine besonders schöne Brückenkonstruktion bewundern.

Leider schwankte und wankte sie ganz ungeheuerlich, obwohl ich langsam und vorsichtig Schritt für Schritt setzte.

 

Gegen 16 Uhr riss die Wolkendecke auf und ...

 

... die Sonne lugt hervor.

 

Obwohl ich keinen Appetit und Hunger verspürte, schien es mir doch ratsam kleine Fruchtriegel zu essen. Allmählich spürte ich auch das große Rucksackgewicht. Doch war ich immer noch voll motiviert, heute die Hütte zu erreichen und nicht irgendwo das Zelt zwischen den Felsbrocken aufzubauen.   

 

Der Abend senkte sich über den See und es wurde merklich kühler. Erst 20 Uhr erreichte ich endlich die Hütte. Der Wirt war nett und gab mir ein kleines Einzelzimmer. Bevor ich mir ein Abendbrot machte, saß ich noch lange am Tisch und trank ein Glas Wasser nach dem andern. So sehen also 20 km in der Hardanger Vidda aus, sagte ich zu mir und war froh , das ich nicht vorher wusste, was das bedeutete.   

 

Wanderung 2. Tag, Donnerstag, 3. August

 

Als ich gegen 23 Uhr zu Bett ging nahm ich mir vor, einen Ruhetag einzulegen, falls mir morgen früh die Muskeln oder die Füße noch schmerzten. Doch ich wachte gegen 6.30 Uhr auf, ohne, dass mir irgendetwas weh tat. Auch die Füße spielten mit und so stand für mich fest, dass ich heute zur Litlos Hütte, 17 km,  weiter wandern werde. Die beiden Deutschen, die davon gesprochen hatten, zu zelten, dann aber doch gegen 21 Uhr in der Hütte auftauchten, hatten morgens 8 Uhr ihr Zimmer noch nicht verlassen. Ich frühstückte in aller Ruhe mein Müsli mit einer Scheibe Knäckebrot, dick mit Butter beschmiert und unterhielt mich mit Norwegern, die heute zur Middalsbu weiter wandern wollten. Leider sah es mal wieder regnerisch aus und das Thermometer an der Außenwand zeigte nur 7° Celsius an.

 

So gegen 9 Uhr hatte ich meinen Rucksack gepackt, da meinte der Hüttenwirt süffisant, jetzt wolle er mal die beiden Deutschen wecken. Ich setzte mich noch ein wenig auf die Bank und wartete im Stillen auf die Deutschen. Aber sie kamen nicht.

 

Ich brach gegen halb zehn auf und musste gleich hinter Hellevassbu ca. 120 m bergauf steigen.

Was meine Kondition anging, so war ich zufrieden und hoffte, dass meine Schulter gut durchhält, da heute 3 km weniger zurückzulegen waren.

 

Schon bald wehte ein kalter Wind über die Höhen. Der Trail führte mich leicht bergauf strikt nach Norden teilweise über Steinfelder, auf denen das rote T oft nur mühsam zu erkennen gewesen war.

 

Es ging kilometerlang über ein Meer aus Steinen. Am Ende konnten schon mal die Füße schmerzen.

 

Ebenso durch vegetationslosen Fels und über Geröllberge und Schutthänge.

 

Auch führte mich der Trail über viele Schneefelder, deren Untergrund oft fragwürdig blieb.

 

Stundenlang stapfte ich durch die wilde, einsame Hardangervidda.

 

Manchmal musste ich einen Schneehang queren, der steil in einen See fiel. "Ausrutschen verboten! "

 

12 Uhr verhüllten die Wolken die umliegenden Gipfel der Vidda, die mehr als 1400 m aufragten und es begann zu regnen. Nach 200 m Abstieg zum Kvensjöen  musste ich wieder über einen kleinen Brückensteg in der Nähe von Söre Belebotnen, der auf abenteuerliche Weise auf glattem Stein befestigt war.

 

Bei strömendem Regen musste ich fast 1,5 km auf dem Ufertrail um den See laufen bis ich endlich die Hütte erreichte. Da die Schuhe von den vielen Sumpfdurchquerungen auch innen nass waren, befürchtete ich, mir auf dem letzten Kilometer noch Blasen zu laufen. Aber ich hatte Glück. Gegen 18 Uhr erreichte ich völlig durchnässt die fein hergerichteten Litlos Hütten.

 

An der Rezeption bot man mir ein Zimmer für 50 Euro, ein Abendessen für 38 Euro und ein Frühstück für 15 Euro an. Das war mir dann doch zu happig und ich fragte nach einer Bettstelle für ein "Member" des DNT. Ich zahlte 28 Euro für ein Bett im Mehrbettzimmer ohne Licht, ohne Tisch und Stuhl und ohne Kochstelle. Mein Essen müsste ich mir „draußen“ bereiten, sagte die Rezeptionsdame. "Aber da regnet es doch!"  Da ich allein in dem Zimmer war, schmierte ich mir im Stehen ein paar Knäckebrotscheiben und belegte sie mit Käse. Dazu gab es Wasser aus der Blechflasche. Hat mir gut geschmeckt. Weil das Zimmer kein Licht hatte, lag ich kurz nach 20.30 Uhr im Bett und erholte mich. Die ganze Nacht hörte ich den Regen auf das Dach prasseln.  

 

Wandertag 3, Freitag, 4. August

 

In dem dunklen, schmucklosen Zimmer habe ich prächtig geschlafen. Mit Wasser und Knäckebrot und 10 Stunden Schlaf fühlte ich mich bestens erholt und voller Energie. Die Schultern schmerzten nicht, die Füße schmerzten nicht, nur nagender Hunger trieb mich dazu, mir eine große Portion Müsli anzurühren. Auf der Bettkante sitzend mümmelte ich so vor mich hin und schaute aus dem Fenster, wo dunkle Wolken Regen verhießen.

 

7.30 Uhr brach ich mit großem Elan auf. Der Morgen war windstill und sehr frisch. Von allen Seiten rieselte Wasser auf den Trail und in den Wiesen zischte und gluckerte es. Morast wohin man schaute. Für heute hatte ich mir vorgenommen, direkt auf den Harteigen  zu zuwandern und wenn möglich, ihn auch zu besteigen. Übernachten wollte ich in Torehytten, das ca. 17 km von Litlos entfernt liegt.

 

Die Hütte verschwand schnell hinter mir und der Pfad stieg in die Berge hinan. Der Rucksack war jetzt schon 1 kg leichter geworden und ich meinte sogar, dass zu spüren. Denn oftmals musste ich auf Steinen über breite Bäche balanzieren und das ging besser als zu Beginn der Wanderung.  

 

Die fast mannshohen Steinmännchen waren im Nebel tief hängender Wolken wertvolle Markierungspunkte.

 

Der Pfad, mit Steinen und Morast durchsetzt, wand sich  an dunklen Hängen entlang. Gräser und fußhohes Buschwerk tropften. Ohne meine Gamaschen, die ich eigentlich bevorzugt im Winter anziehe, wäre meine Wanderhose von einer schwarz-braunen Moorkruste überzogen gewesen. So konnte ich die Gamaschen abends mit klarem Wasser schnell abspülen und nächsten Tag, wenn auch nass, wieder überziehen.

 

Kurz nach 9 Uhr überholte mich ein Wanderpaar, das mit großen Schritten unterwegs war. Ich fotografierte sie mit dem leicht in Wolken gehüllten Harteigen im Hintergrund.

 

Köstliches Wasser plätscherte in Kaskaden über den Fels. Ich trank direkt von dem stürzenden Wasser. Es schmeckte wunderbar. Den Schneegeschmack hatte dieses Wasser auf seinem Weg über das Gestein verloren.

 

Je näher ich dem Harteigen kam, desto zerklüfteter wurde die Landschaft. In immer kürzeren Abschnitten ging es bergauf und bergab. Felsbarrieren und Plattenabbrüche häuften sich.

 

Manchmal musste auch ein Schneefeld gequert werden, das steil in einen See fiel. Ich war froh über meinen kleinen Eispickel, den ich hier für den Notfall des Abrutschens als Bremse einsetzen konnte. An dieser Stelle gab es kein Problem und ich konnte Schnee und Firn sicher überschreiten.

 

Wunderbarte Ruhe und Einsamkeit, das ist der Reiz der Hardanger Vidda.

 

11.30 Uhr wurde das Wetter freundlicher und ich entschloss mich zu einer ausgiebigen Rast. An einem kleinen Bach mit trockenem Wiesenufer und anschließender Felsbarre befreite ich mich vom Rucksack und schmierte mir einige Scheiben Knäckebrot. Dazu gab es gelbe Rosinen. Wasser trank ich direkt aus dem Bach.

 

Nach einer halben Stunde brach ich wieder auf und suchte eine Stelle zum Furten des großen Flusstales. Ich irrte ziemlich lange herum, bis ich eine breite Stelle mit mehreren Kiesbänken fand.

 

Danach ging erst mal richtig bergauf. Doch der Trail war gut sichtbar und mit wenig Felsbrocken übersät, sodass er angenehm zu begehen war.

 

In einer Höhenlage von 1200 bis 1300 m musste ich immer öfter über ausgedehnte Schneefelder laufen. Der Trail war festgetreten, aber jetzt angetaut.

Ich stiefelte nicht ungern über solchen Schnee, weil ich hier in einen Trott verfallen konnte, der weniger Aufmerksamkeit erforderte, als wenn ich über runde Kopfsteine jonglieren müsste.

 

Mein Blick war wegen der Steine oft auf den Boden gerichtet, aber als ich aufblickte und vor mir wie ein mächtiger Klotz der Harteigen in den Himmel ragte, war ich angenehm überrascht. Das war großartig! Eine euphorische Stimmung ergriff mich, denn sofort rechnete ich mir aus, dass ich dieses Felsungetüm schon in einer knappen Stunde, also ca. 12.30 Uhr, erreicht haben könnte.

 

Doch es kam anders. Auf einem Höhenniveau  von ca. 1500 m wanderte ich unverdrossen weiter über grasbewachsene Höhen, weite Schneefelder, feste Schotterebenen und geschichtete Felsbänder. Ich sah auch immer wieder den ersehnten Harteigen, aber seltsamerweise kam er nicht näher.

 

3 junge Wanderer in kurzen Hosen und ohne Jacken kamen mir gegen 13.30 Uhr entgegen. Sie waren wohl sehr abgehärtet, denn die Temperatur lag unter 10° C, es wehte ein kalter Wind und ab und zu regnete es auch.

Wir unterhielten uns und sie informierten mich, dass ich wohl noch eine gute Marschstunde vor mir hätte.

 

Die Schneefelder häuften sich, die roten T´s waren oftmals nicht zu finden und so kam es, dass ich mich an einer steilen Stelle verlief. Einige Zeit irrte ich auf glatten Steinplatten herum, bis ich merkte, dass ich nur noch an Felswänden herunter klettern konnte.

Glücklicherweise konnte ich zwei Wanderer beobachten, wie sie ein nahes Schneefeld überquerten. Ich musste ein kleine Felssenke überwinden und dann nahm ich auf der anderen Seite ihre Spur im Schnee auf. An den Spuren sah ich später, dass sich an dieser Stelle auch andere verlaufen hatten.

 

Wieder war der Harteigen zum Greifen nah. Ich glaubte, das Gröbste hinter mir zu haben, da fing es zu regnen an. Der Gipfel drohte, von Wolken bedeckt zu werden und die Felsplatten wurden gefährlich glitschig.

 

Erst gegen 14.30 Uhr stand ich unmittelbar neben dem Harteigen. Mächtig und Düster ragte dieser Felsklotz, der wohl das milliarden Jahre alte Überbleibsel eines früheren Vulkanes ist, mindestens 100 m in die Höhe.

Nach einer kurzen Andachtsminute wanderte ich auf seiner Ostseite weiter und hielt Ausschau nach dem Kamin, durch den dieser Berg bestiegen werden kann.

 

 

Als ich ihn auf halben Weg fand, war der Harteigen bereits von Wolken umhüllt. Hier nun im Schutt und an feuchten Wänden hoch zu klettern, ohne mit einer guten Aussicht belohnt zu werden, reizte mich gar nicht. Nach kurzer Betrachtung wanderte ich schließlich weiter.

 

Da begegnete mir ein Mann, der wie ein Gespenst plötzlich aus dem Nebel hervortrat. Er hatte kurze Hosen an und schien schon älterer Jahrgang zu sein. Wir fotografierten uns gegenseitig und er verriet mir, dass er von der Hadlaskar Hütte komme und zum Harteigen hinauf gejoggt wäre. Hut ab, sagte ich und gratulierte ihm zu dieser beachtlichen Fitnesleistung. Es war eine Begegnung, die mich sehr freute.

 

Noch während der Mann ein Bild von mir machte, senkte sich der Nebel bis an den Fuß des Berges.

 

Schnell machte ich mich auf den Weg talabwärts zur Torehytta.

 

Hier hatten erstaunlich viele Schneefelder den Sommer überlebt.

 

Schließlich konnte ich schon von weitem die Torehytta an einem See im Tal erkennen. Es sah aus, als sollte ich nur noch Minuten unterwegs sein. Aber ich musste noch einen großen Bogen durch eine kleine Schlucht machen, über ein paar Felsbrocken klettern und so erreichte ich endlich 16.30  Uhr die Torehytta.

 

Die romantsch gelegene Torrehytta.

 

 

Die freundliche Wirtin stellte mir frei, in welchem Haus ich mich einquartieren wollte. Ich entschied mich für das Nebengebäude. Dort schliefen schon 4 deutsche Wanderer aus Mecklenburg, die mich gleich herzlich begrüßten.

 

Ich quartierte mich links unten ganz in der Ecke ein.

 Zum Abendbrot machte ich mir eine Tüte Nudeln mit Tomatensoße. Das hat wunderbar geschmeckt. Dazu kam die anregende Unterhaltung mit den Mecklenburgern.

Die Truppe schien recht sportlich und die Ehefrau des Mannes ließ so ganz nebenbei fallen, dass sie vorhin im eiskalten See gebadet habe. Ich hatte den Eindruck, dass das mir galt, aber ins eiskalte Wasser zu steigen, danach war mir jetzt überhaupt nicht zumute.

22 Uhr forderten meine Mitbewohner strikte Ruhe. Mittlerweile hatte ich mich auf die frühe Schlafenszeit eingestellt und genoss die Bettruhe. Der Harteigen ist schon ein gewaltiger Brocken, den keiner vergisst, der ihn direkt vor sich in der Vidda gesehen hat, ging es mir beim Einschlafen durch den Kopf.

 

Wandertag 4, Sonnabend, 5. August

 

Die Mecklenburger Gemeinschaft war schon 6 Uhr auf den Beinen. Sie hatten gestern einen Ruhetag eingelegt und wollten heute zur Stavali Hütte wandern. Ich stand auch bald auf und musste feststellen, dass es regnete. Das dämpfte meine Freude und ich spielte mit dem Gedanken auch mal einen Ruhetag einzulegen. Aber 7 Uhr hörte es auf zu regnen und sofort war ich entschlossen auch aufzubrechen und heute zur Hadlaskar Hütte zu wandern.

 

Ich wünschte ihnen auch alles Gute, ließ mich noch fotografieren und machte mich auf den Weg zur 13 km entfernten Hadlaskar Hütte.

 

Nach der Hütte geht es gleich hübsch bergan. Die Luft ist herrlich frisch und kühl, der Himmel ziemlich grau bedeckt und der Trail stark durchnässt und matschig. Ein Blick zum Harteigen zeigte, dass er immer noch von Wolken umhüllt war.

 

Dann ging es schon bald auf eine Höhe von 1300 m und dort lagen noch ausgedehnte Schneefelder. Dieser Altschnee endet oft in einem kleinen Schmelzsee, den ich hier aufwendig umgehen musste, wobei ich nicht ganz frei von der Sorge war, dass die Schneedecke stellenweise dünn war und einbrechen konnte.

 

Zwei deutsche Frauen kamen mir entgegen, wobei eine Frau am Ende ihrer Kräfte schien. Sie sagte mir im hastigen Ton, es ginge nur noch bergab, bis zur Hadlaskarhütte nur noch bergab! Ich dankte für die Info und ein Blick in das weite Tal bestätigte ihre Aussage. Klar, für sie ging es heute nur noch bergauf. Dann wird es heute wohl ein gemütlicher Tag, dachte ich und freute mich besonders über meinen merklich leichter gewordenen Rucksack.

 

Immer wieder gab es auch einige steile Felsabstiege, die nass und rutschig waren, und die ich äußerst vorsichtig  angehen musste.  Auch schiefrige Bodenstellen, die vor Nässe trieften und sehr rutschig waren, erforderten größte Aufmerksamkeit..

 

Der Trail nach Hadlaskar geht tatsächlich fast nur bergab, hat eine Länge von überschaubaren 13 km und wäre eigentlich eine gemütliche Wanderung, wenn nicht zwei Flüsse zu überwinden wären, für die es keine Brücke gab. Die Watstellen waren in der Karte auch eingezeichnet und trotzdem haftete der Flussdurchquerung etwas abenteuerliches an. Ein unbekannter Untergrund, vielleicht sogar eine schnelle Strömung und die Tiefe des eiskalten Wassers regten die Phantasie an.

 

Als ich die erste Furt erreichte, sah ich junge Leute, die gerade durch die Furt wateten.

Mit Sandalen watete ich langsam durch das knietiefe, eiskalte Wasser, den Rucksack auf dem Rücken, Hose hochgekrempelt und die Stiefel in der einen und die Stöcke in der anderen Hand.

Ich hatte es mir schwieriger vorgestellt, aber die Furt über den kiesigen Grund bereitete auch wegen der geringen Strömung keine Probleme. Nun war die Scheu überwunden und ich querte eine Viertel Stunde später auch die zweite Furt ohne große Mühe. 

 

Als ich einer Solowanderin aus Deutschland begegnete, tauschten wir unsere Erfahrungen aus.  Sie  war von Ost nach West durch die Vidda gelaufen und schwärmte von dem vorzüglichen Essen und der freundlichen Aufnahme in der Sandhaughütte, die sie mir nun wärmstens empfahl. Dann fügte sie  noch hinzu, dass sie ansonsten nur zelten würde und sich ihr Essen selbst zubereitete. Etwas anderes könne sie sich nicht leisten.  Ich konnte sie verstehen, denn gegenüber früheren Jahren war die Übernachtungspreise in Norwegen fühlbar gestiegen.

 

Der Trail wand sich nun durch mooriges Buschland. Mehrfach trat ich in Schlammlöcher und kurz vor der Hadlaskarhütte versank ich sogar bis zum Knie im Schlamm. Die letzten Meter zur Hütte gingen über eine Hängebrücke, die über den Veig gespannt war.

 

Vielleicht hätte man auch über die Steine springen können, aber der Veig führte heute zu viel Wasser.

 

16 Uhr begrüßte ich die Hüttenwirtin, die mir freundlicherweise ein Zimmer ganz für mich allein anwies. Ich war happy und ging sofort in die Küche um mir ein Nudelgericht mit Tomatensoße zu kochen.

Nach dem Essen blieb ich noch am Tisch sitzen. Da kam unerwartet ein würdiger grauhaariger Herr auf mich zu und begrüßte mich in aller Freundlichkeit mit Handschlag. Jetzt erkannte ich ihn wieder: es war der Jogger am Harteigen. Wir mochten uns und unterhielten uns über seine Arbeit in der Hütte, von der er und seine Frau bald abgelöst werden.

 

Wandertag 5, Sonntag, 6. August

 

Gegen 5.30 Uhr wachte ich auf und machte mich fertig. Der Himmel war stark bedeckt, die Lichtverhältnisse dürftig und es sah so aus, als ob es jeden Moment regnen könnte.

6.30 Uhr verließ ich die Hütte und wendete mich sofort nach Norden. Der Pfad war zwar gut sichtbar, aber ich musste oft Schlammlöchern ausweichen und in das nasse Buschwerk treten. Trotzdem kam ich gut voran, denn die ersten 2 km schlängelte sich der Trail durch die Talebene des Veig.

 

Aber dann stieg er knapp 100 m aufwärts in felsiges Gelände. Hier breitete sich eine schöne Felsplattentektonik aus. Man hätte hier gut ausschreiten können, wenn der Stein nicht so nass und zum Teil glitschig gewesen wäre und das besonders auf den Schrägen. So musste ich höllisch aufpassen, prüfen, testen und Umwege machen.

 

Die Zeugen der Eiszeit.

 

 

Zwischendurch wand sich der Trail aber immer wieder durch sumpfige Täler mit hohem Buschwerk. Ab und zu verdunkelte sich der Himmel bedrohlich und ich wusste, gleich beginnt es furchtbar zu schütten. Die Bäche schwollen an und das Wasser schäumte über die Platten. Es war nicht lebensbedrohlich aber ein Sturz konnte auch hier ungeahnte Folgen haben.  „Geh nie allein durch die Hardanger Vidda“, heißt es in einem Merkblatt, aber ich war nun mal allein und das hieß äußerste Vorsicht und volle Konzentration.

 

Durch den starken Regen hatten sich manchmal auf den Talböden kleine Seen gebildet. Sie waren nicht tief, aber der Boden darunter war moorig und das nötigte mir den größten Respekt ab. Denn schon einige Male war ich an harmloseren Stellen bis zum Knie eingesunken. Da wieder rauszukommen kostete jedesmal viel Kraft mit der Gefahr, dass ich das Gleichgewicht verlieren könnte und mich samt Rucksack im Schlamm wälzen müsste. Gott sei Dank hatte ich mich davor bewahren können.

 

Selbst leicht zu furtende Flüsse hatten jetzt eine reißende Strömung.

 

Je mehr ich mich der Hedlo Hütte näherte, desto höher wurde das Buschwerk und um so schöner wurden die Birken. Es war mir eine wahre Augenweide, wie hübsch sich diese Bäumchen mit ihren blendend weißen Stämmen in die Höhe reckten.

 

 

Eine Moltebeere, die noch unreif ist. Schmecken tut sie erst, wenn sie eine gelbe Färbung angenommen hat.

 

Die voll bewirtschaftete Hedlo Hütte am Ufer des Veig.

 

Der Weg zur Hedlohütte führte am Flussufer entlang. Es war unglaublich anstrengend. Einen Kilometer lang musste ich von Stein zu Stein springen, weil der Untergrund zwischen den Steinen total verschlammt und nicht begehbar war.

 

Der Veig vor der Hedlo Hütte.

 

Ich erreichte die Hütte gegen 11 Uhr und bestellte mir sofort eine Tasse Kaffee. Die Wirtsleute hatten unter freiem Himmel Tisch und Sitzbank aufgebaut und so konnte ich den heißen Kaffee inmitten der Natur mit schöner Aussicht über das Flusstal geniessen.

 

Ich brach dann bald wieder auf und schon wieder musste ich über die Steinköpfe balanzieren.

 

Dieser Weg schien kein Ende zu nehmen. Auch wurde es zunehmend dichter und struppiger.

 

Erst gegen 12.30 Uhr erreichte ich freieres Gelände  mit schönen Talblicken.

 

Wasserfälle und Stromschnellen waren mir immer eine willkommene Abwechslung.

 

Tosender Bach, über den zu meiner großen Erleichterung eine Brücke führte.

 

Kurz vor Viveli kam ich mit Norwegern ins Gespräch, die hier einen "Sonntagsspaziergang" unternahmen. Sie wollten natürlich wissen, welcher Nationalität ich angehörte und was ich schon unternommen und erlebt hätte.

 

Der Trail kurz vor Viveli.

 

Viveli ist eine kleine Ansammlung von Häusern am Veig-Fluss. Hier gibt es auf der anderen Seite des Flusses auch eine bewirtschaftete Wanderhütte. Es war noch zu früh, um den Wandertag schon zu beenden. So ging ich noch weiter Richtung Liseth Hütte.

 

Nun führte mich der Trail in immer unwegsameres Gelände. Ich hatte Probleme den Weg durch all das Gestrüpp und die gestürzten Bäume zu finden. Zudem strengte das auch sehr an.

Und so kam ich allmählich zu dem Schluss, nicht bis Liseth weiter zu wandern, sondern bei nächster Gelegenheit mein Zelt aufzubauen. Aber der Weg führte durch Urwald ohne Aussicht auf einen kleinen ebenen Platz für ein Zelt.

 

Doch dann stieß ich überraschend auf eine Lichtung und fand ein Plätzchen für mein Zelt. Es war schnell aufgebaut und 18 Uhr bereitete ich mein Abendessen vor. Aus einem nahen Bach schöpfte ich Wasser und kochte mir eine Erbsensuppe aus der Tüte.

 

Vom Tal wehte ein warmer Wind herauf. Weiße Nebel stiegen an den Berghängen empor. Für die Nacht, die sehr kalt zu werden versprach, zog ich zusätzlich Daunenjacke und  –hose an und schlüpfte schon 20 Uhr in meinen Schlafsack. Ich freute mich über meinen schönen Zeltplatz und schlief schon bald ein.

 

Wandertag 6, Montag, 7. August

 

Es war eine herrlich erholsame Nacht. Ein wenig kühl, aber windstill und trocken. 6.30 Uhr blinzelte die Sonne durch die Wolken. In ihrem Licht sah ich die drei Birken, deren Grazie ich schon gestern bewundert hatte.

Ich war freudiger Stimmung, denn heute wollte ich nach Liseth wandern und damit hatte ich die Hardanger Vidda durchquert. Es sah nach schönem Wetter aus.

 

Eine halbe Stunde später wanderte ich auf schmalem, weichen Pfad ohne Steine durch einen hübschen Birkenhain. Wenn ich da an meine ersten Wander-Tage über die karge felsige Vidda unter dunklen Regenwolken dachte, wo ich hart gefordert war, so überkam mich hier eine wunderbare Leichtigkeit.

 

Den Rucksack spürte ich kaum noch, atmete tief die herrlich frische Luft ein und genoss den Blick über das weite Tal des Berdolo.

 

In der Nähe des Berdolo wurde ich dann ab und zu doch von tiefen Schlammlöchern überrascht, und musste sofort an den  schlimmen Schlamm von Viveli denken, den ich Gott sei Dank  hinter mir gelassen hatte.

 

Das moorige Wasser des Berdolo schlängelte sich durch das Tal und stürzte auch ab und zu über Felskaskaden, ...

 

... bis ich ihn über einen schiefen, wackligen Brückensteg überqueren konnte.

 

Ich war auf der weiten Wiesenebene von Berastolen. Leider fand ich nicht gleich den Trail, sodass ich einen weiten Umweg machte, bis ich den Anstieg aus dem Tal fand.

 

Es ging fast 200m bis zum Rand des Hallinge-Hügels hinauf.

 

An einem Bach legte ich gegen halb elf Uhr eine ausgiebige Pause ein und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen. Mittlerweile war der blaue Himmel von Schleierwolken überzogen, was auf eine Wetteränderung hindeutete. Ich befürchtete, dass es Nachmittags regnen könnte.

 

Langsam stieg in der Ferne ein weiß bedecktes Gebirgsmassiv auf. Es war die riesige Eiskappe des Hardanger-Jökulen Gletschers. Ich war ergriffen.

Während es sich in den letzten Stunden auf nahezu 18° C erwärmt hatte, bedeckten immer mehr Wolkenbänke den Himmel und es wurde merklich kühler.

 

Als ich den höchsten Punkt meines Anstiegs erreichte, breitete sich unter mir die kleine Siedlung Garden aus. Noch etwas später hatte ich einen guten Blick auf Liseth und den Isdalsvatnet. Fossli, Hotel und Wasserfall lagen verborgen hinter dem Berg.

 

Um die Mittagszeit herum erlebte ich eine kleine Überraschung. 3 junge Deutsche, 2 Männerund 1 Frau, stiegen von Huskys leicht gezogen den Berg hinauf. Ich war begeistert, erinnerte mich sofort an Alaska und freute mich außerordentlich über die Hunde.

 

Mit Huskies war ich in Alaska näher in Kontakt gekommen und hatte sie schätzen und lieben gelernt. Wir unterhielten uns über die Rassen und die Hunde ließen sich auch von mir kraulen. Das Erlebnis wühlte mich auf. Ich dachte an meine große Wanderung auf dem Iditarod Trail über die Alaskarange.

 

Es war kein schwieriger Abstieg, als es aber gegen 14 Uhr zu regnen begann und der Trail über die Felsplatten führte, wurde es glitschig.

 

Es bestand höchste Rutschgefahr und das machte mir auf den letzten Metern nach Liseth das Leben schwer.

 

 Ich musste auf steile Wiesenhänge ausweichen oder sonstwie Umwege machen. So kam es, dass ich fast 1 Stunde länger als geplant, zur Liseth Pension brauchte.

 

Ich hörte den Litlelifossen des Bjoreio, einer der Zuflüsse zum Vöringsdfossen, rauschen.

Nach kurzem Aufstieg stehe ich auf der Nationalstraße 6. Nach 300m Richtung Eidfjord bog ich rechts zur Liseth Pension ab und erreichte sie endlich kurz nach 16 Uhr.

 

Die Liseth Pension ist eine privat bewirtschafte Hütte. Ich leistete mir ein Einzelzimmer mit Halbpension. Nicht billig, aber ich war sehr zufrieden mit dem Zimmer und ließ mich heute mal gern verwöhnen.  Der freundliche Wirt servierte mir  Rentiergullasch mit Möhrengemüse und Kartoffeln. Das schmeckte mir nach all den kargen Mahlzeiten wirklich sehr gut.

In  großer innerer Ruhe und Freude über  meine Durchquerung der Hardanger Vidda von Süd nach Nord genoss ich noch eine ganze Weile die gedämpfte Stimmung im Speiseraum.

 

Später traf ich auf der Veranda ein Wanderer-Paar, das gerade darüber diskutierte, ob es noch nach Finse weiter wandern solle. Sie hätten mehrfach von ausgedehnten Sumpfflächen und glitschigen Felsplatten gehört. Beides ziemlich gefährlich.

Später am Abend fragte ich bei den Wirtsleuten nach und sie bestätigten, dass dieses Gebiet um den Hardanger Jökulen zur Zeit sehr gefährlich sei und im Augenblick wegen des starken Regens nur sehr schwierig zu überwinden. Ich wurde nachdenklich.

 

 

 

Ruhetag, Dienstag, 8.August

8.30 Uhr völlig entspannt und neugierig  zum Frühstück gegangen.

Welch ein Genuss! Natürlich schenkte ich mir erst einmal heißen Kaffee ein und dazu noch kalten Orangensaft aus dem Spender.  Auch Brotscheiben und Butter füllte ich standardmäßig auf. Aber dann wurde es speziell: Heringshappen, Krabbensalat, Lachsscheiben, Kaviarhäppchen oder Leberwurst, Salami, roher und  gekochter Schinken, aber auch 3 verschiedene Käsesorten, Müsli, Cornflakes, Haferbrei mit Yoghourt. Da lief mir doch das Wasser im Munde zusammen .

 

Ganz nebenbei befasste ich mich mit der Frage, ob ich noch nach Finse aufbrechen sollte oder nicht. In dem kleinen gelben Führer Hardangervidda, wurde auf Umleitungen und viel Schlamm hingewiesen. Den Ausschlag gab dann der Hinweis, das viele steile Fels- Platten durch den Regen und die Bemoosung rutschig geworden sind. Was das bedeutet hatte ich gestern erfahren. Es war ein Argument, auf die Umrundung des Hardanger Jökulen zu verzichten.
Als ich vom Frühstückstisch aufstand, stand mein Entschluss fest: Ich werde nicht nach Finse weiter wandern.

Ich fühlte mich erleichtert. Nun werde ich den Vöring Vossen besuchen, von dem ich schon soviel gehört hatte.

 

In der Nähe des Fossli Hotels gab es eine Aussichtsplattform auf die tosend zu Tal fallenden Wassermassen des Vöring Wasserfalls. Von hier aus konnte ich mir direkt das großartige Schauspiel anschauen.

 

Das enge und steile Mabödal erstreckt sich von Fossli bis zum Eidfjord. Es ist möglich dieses Tal auch zu Fuß zu durchwandern.

 

Das Fossli Hotel liegt am Ende des inneren Teils des Hardangerfjordes, von dem man einen atemberaubenden Blick in das Mabödal hat. Es wurde 1891 erbaut und hatte berühmte Gäste wie Edward Grieg, der hier sein Opus 66 komponierte.

 

Aufsteigende Wasserwolken wogten geheimnisvoll hin und her.

 

12 Kubikmeter Wasser aus der Hardangervidda rauschen pro Sekunde 183 Meter in die Tiefe. Da brodelte es auf dem Grund des Kessels. Der Wasserfall, nicht der größte in Norwegens, ist dennoch einer der bekanntesten und am häufigsten aufgesuchtesten.

 

Ein Tourist fotografierte mich auf einem Felsvorsprung am Wasserfall.

 

Bei einem kleinen Abendspaziergang sah ich diesen aus Holz geschnitzten Frauen-Troll in der Nähe eines ...

 

... bei den Norwegern so beliebten Ferienhauses.

 

Die steilen Hänge des Grytehorga 1223 m im Licht der untergehende Abendsonne.

 

Morgen früh werde ich mit dem Bus nach Eidsfjord und weiter bis Otta und Haukeliseter fahren. Von Haukeliseter geht es dann weiter nach Rjukan und die Passstraße hinauf zum Parkplatz von dem aus ich den Gaustatoppen, den norwegischsten Berg Norwegens besteigen wollte.


Ade, Hardangervidda! Mit dieser großartigen Wanderung durch deine Weiten habe ich mir einen lang ersehnten Traum erfüllt.

 

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